Die derzeit im Wiener WestLicht laufende Herbert List Retrospektive ließ ein ambivalentes Gefühl in mir zurück. Während Lists Frühwerk (fotografia metafisica, Aufnahmen von Griechenland) sehr konzeptionell und formell arrangiert wirkt, beschäftigte er sich später mit „Street-“ und Portraitphotographie. Als List Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts mit dem Photographieren begann, benutzte er eine Großformatkamera, die er aber in den 30er Jahren gegen eine Rolleiflex eintauschte. Zwar setzte er sich bereits zu dieser Zeit mit dem Genre Portrait auseinander, ließ die dabei entstandenen Arbeiten jedoch in seiner „Giftkiste“ von der Öffentlichkeit unbemerkt dahin schlummern. List, der als Deutscher 1936 aufgrund der vom nationalsozialistischen Regime erlassenen „Nürnberger Gesetze“ als „jüdischer Mischling“ abgestempelt wurde, musste sein Zuhause verlassen und fürchtete darüber hinaus, dass er aufgrund seiner homoerotischen Portraits verfolgt werden könnte. (Das für 1938 geplante Buch „Licht über Hellas“ wurde erst 1953 veröffentlicht, da es einige wenige Photographien von jungen Männer beinhaltet. Es dauerte allerdings noch bis in die 80er Jahre, bis sein Buch „Ver Sacrum“, das ausschließlich Bilder von Männern zeigt, herausgegeben wurde.)
In den folgenden Jahren formte List seine ganz eigene Bildsprache. Wunderschön zu sehen ist sein Spiel mit Licht, Schatten und Kontrast, vor allem wenn Objekte zu „Scherenschnitten“ werden. 1952 trat List Magnum bei und begann mit einer Leica Kleinbildkamera zu arbeiten. Seine Serie „Blick aus dem Fenster“ entstand mit dieser und einem von List zum ersten Mal verwendeten Teleobjektiv.
Aus der Serie Blick aus dem Fenster: Der Tanz der Röcke
List war die persönliche Beziehung zu seinen Modellen sehr wichtig. So der Begleittext an der Wand des WestLicht. Er wollte ihr „wahres Abbild“ einfangen und „er musste“ eine persönliche Beziehung zu ihnen haben. Er photographierte seine Modelle bewusst in ihren Schreibstuben und Ateliers, was ihm angeblich sehr wichtig war, damit die Personen sich authentisch gaben. Diese Aussage hat mich jedoch sehr verwundert, denn direkt neben diesem Zitat Lists, sind mehrere Portraits ausgestellt, die alle Männerköpfe zeigen, die sich auf ihre Hand stützen. Ein Zufall? Wohl nicht. Vielmehr wirken diese Bild sehr konstruiert - man hört den Photographen geradezu sagen, dass Modell solle sich „doch bitte so und so, oder nein, vielleicht bitte doch so auf die Hand stützen“.
Sehr Schade fand ich auch, dass die wirklich wunderschönen „street photographies“ sowie die Photographien von Jungen am Strand nur einen kleinen Teil der Ausstellung ausmachten. Natürlich fällt es schwer eine Retrospektive von einem großen Oevre zusammenzustellen, nur hatte ich als Besucherin den Eindruck, dass der Kurartor/die Kuratorin sich mehr auf die Erstwerke Lists, die fotografia metafisica und die Portraitphotographien berühmter Persönlichkeiten konzentrierte, als auf eine ausgewogene Mischung. Wobei die berühmten Personen wichtiger schienen als die Bilder, die von ihnen gemacht wurden.
Zu wenig hervorgehoben wurde im Weiteren dass Herbert List auch ein herausragender bildender Künstler war (man hätte dies im Begleittext zur Ausstellung ruhig ausführlicher behandeln können). Eine Gegenüberstellung zwischen seinen Photographien und seinen Zeichnungen hätte vermutlich nicht nur mich sehr interessiert.
Wirklich geärgert habe ich mich aber darüber, dass es gegenwärtig scheinbar noch immer nicht möglich ist im Einführungstext einfach hinzuschreiben, dass der Künstler schwul war, was dem Besucher der Ausstellung eine völlig andere Zugangsweise zu Herbert Lists Bildern eröffnet hätte. (Die Bilder über die Zerstörung Münchens erscheinen danach ebenso wie die Auswahl seiner Portraitmodelle in einem völlig anderen Licht!) Hat man bereits alle Exponate gesehen findet man im letzten Raum ein „(...) sein Eros war ein männlicher (...)“ oder etwas Ähnliches in dem Begleittext an der Wand. Sehr kryptisch. Im "take-away" Begleittext zur Ausstellung wird seine Homosexualität zumindest erwähnt.
Aus der Serie über die Zerstörung Münchens
Die Exponate sind natürlich trotzdem äußerst sehenswert, handelt es sich doch um wunderschöne analoge schwarz/weiß Bilder, die brilliant ausbelichtet wurden (Vintageabzüge). Die ananloggang empfiehlt an dieser Stelle jedoch sich vorab über Herbert List zu informieren, das erspart einige Fragen, die man sich in der Ausstellung ansonsten durchaus stellen wird.
Links: Herbert List Estate , Schwules Museum Berlin
Ausstellungsdauer: 09.02.2010 - 05.04.2010 @WestLicht: Westbahnstraße 40, 1070 Wien
Öffnungszeiten:
Mo geschlossen
Di, Mi, Fr: 14 – 19 Uhr
Do: 14 – 21 Uhr
Sa, So, Feiertag: 11-19 Uhr
--> ENGLISH VERSION:
exhibition: Herbert List
The Long Walk, 1938
A very ambivalent showing - a restrospective of Herbert Lists work – currently takes place at Viennas WestLicht. While his earlier work seems very conceptional and formal he achieves to let go of that take on photography in his later years when he gives street and portrait photography a try. The German photographer Herbert List started out taking pictures in the mid 20 years of the 20th century with a large format camera but used a Rolleiflex from the thirties on. He was taking portait pictures then too but since they had a homoerotic appeal he did shy away from publishing them. It was in 1936 when List had to leave Germany because of the Nuremberg Race Laws which made him a „person of mixed parentage“. He feared that he could be additionally persecuted for his homosexuality. (This also led to the fact that his book „Licht über Hellas“ which had only a few pictures of young men in it only got published in 1953 although it was planned to be in 1938. „Ver Sacrum“ a book containing only pictures of men got published decades later in the eighties.)
Man Out Walking, 1932
List started creating his own artistic style playing a lot with light, shadows, contrast and silhouettes. In 1952 he joined Magnum and eventually got encouraged to use a Leica 35mm camera. For his series „Blick aus dem Fenster“ he used a telephoto lens for the first time.
It was very important to him to have a relationship with his models. This was the only way for him to take a „truthful image“ of a person. Therefore he used his models studios to create a portrait. That's at least what the sleeve note of the exhibition says. But that made me rather suspicious because looking at the portraits right next to this quote all the men in the pictures were cupping their chins in their hands. And that's simply not a coincidance. It feels very fake and fabricated. Looking at the pictures you can almost hear Lists instructions for his models. So much for authenticity.
It was a real pity that the beautiful street photographies and the ones of the boys at the beach weren't that numerous. I totally get that a retrospective of Lists work can never show all of it but I got the impression the curator mainly wanted to show Lists earlier works and pictures of famous people...
The exhibition should have been mentioning the fact that List used to be a brilliant visual artist in addition to his photographic talent and I guess I wouldn't have been the only one interested in a comparison to his photography.
I got really annoyed by the fact that the curator didn't point out that List was gay – which in his case is a very important information. Lists photographs showing the destruction of Munich or the selection of his models otherwise get a whole different meaning. Almost at the end of the exhibition next to the photographs in the last room there's a quote on the wall saying something like „(...) his Eros was a male one (...)“. Cryptically. At least the sleeve note mentions his „homosexuality“ once. It's 2010 and that's really awkward.
Skulptur des Mars vor San Marco, 1933
Nevertheless Herbert Lists photographs are worthwile a visit. All of them being analogue black and white photographs, printed in the most beautiful way (vintageprints). BUT the analoggang recommends you reading about Herbert List beforehand cause you will come up with some questions standing at WestLicht.
Links: Herbert List Estate , Berlin Gay Museum
Feb. 9th – March 5th 2010
@WestLicht, Westbahnstraße 40, 1070 Vienna, Austria
Opening hours:
Tuesday, Wednesday, Friday 2 p.m. to 7 p.m.
Thursday: 2 p.m. to 9 p.m.
Saturday, Sunday and on holidays 11 a.m. to 7 p.m.
Closed on Mondays.
all b/w photos(C)Herbert List, coloured photos(C)kristina satori
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen