Freitag Abend war es endlich soweit: die 60. Berlinale wurde mit der Liveübertragung (ARTE) der, von mir mit Hochspannung erwarteten, zweiten Uraufführung von Fritz Langs Metropolis eröffnet.
Zweite Uraufführung? Genau! Denn bereits 1927 war Metropolis im, heute würde man wohl "director's cut" sagen, in Berlin uraufgeführt worden. Der damals 154 Minuten lange Film kam beim Publikum allerdings weniger gut als erwartet an, weswegen sich die damalige Produktionsfirma dazu entschied, ihn auf eine ca. 25 Minuten kürzere Version zu schneiden.
Nur dem Umstand, dass ein argentinischer Verleih eine Kopie des Films bei der ersten Uraufführung gleich vor Ort kaufte, ist es zu verdanken, dass eben diese Version vor zwei Jahren von Paula Félix-Didier, Leiterin des Filmmuseums in Buenos Aires, dort wieder entdeckt werden konnte. Alle anderen vollständigen Versionen waren in der Zwischenzeit zerstört worden.
Die Zeit hat an dem in Argentinien wieder entdeckten Material allerdings derart starke Spuren hinterlassen, dass man, selbst nachdem diese Teile in den letzten beiden Jahren unter enormen finanziellen Aufwand in Deutschland restauriert worden waren, die Zerstörung immer noch deutlich sieht. Dennoch ist dieses Material wunderschön und - da man ihm das Alter und die Strapazen ansieht - irgendwie auch passender.
Metropolis gilt heute nicht nur als der erste Science Fiction Film der Filmgeschichte, sondern auch als wichtiges Kulturgut. Als erster Film überhaupt wurde er von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.
Apropos Kulturgut: Für Wien war Metropolis auch ein wichtiger Film, denn nicht nur Fritz Lang wurde hier geboren und verbrachte viele Jahre seines Lebens hier, 1925 bis '26 drehte man einige Szenen von Metropolis auf dem Gelände der ehemaligen Wienerberger Ziegelwerke sowie in den dort benachbarten Filmstudios.
Einige Quellen äußern sich jedoch kritisch darüber, dass man zur Besetzung billiger Komparsen vor allem auf Arbeitslose und schlecht ernährte Kinder zurückgriff, die stundenlang im eiskalten Wasser Szene für Szene wiederholen mussten. Dass Fritz Lang selbst von seinen Hauptdarstellern Übermenschliches erwartete, war hinlänglich bekannt. Auch Brigitte Helm, die die Maria in Metropolis mimte, bekam das zu spüren. So soll sie in ihrem hölzernen Kostüm mehrere Male kollabiert sein und auch das technische Team des Films musste unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten.
Doch zurück zum Film: Die Geschichte, die erzählt wird (das Drehbuch stammt von Langs damaliger Ehefrau Thea von Harbou), ist einfach und auf verschiedenste Weise bereits tausende Male erzählt worden, dennoch ist sie universell und zeitlos - behielt also bis heute ihre Gültigkeit.
Aber nicht nur allein das zeichnet diesen Stummfilmklassiker aus, sondern vor allem die einzigartige Ästhetik der Bühnenbauten, der Ausstattung sowie die Kameratechnik. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Fritz Langs Film bahnbrechend und über die folgenden Jahrzehnte blieb Metropolis Inspirationsquelle für unzählige Filme und Musikvideos (z.B.: Blade Runner von Ridley Scott oder Tim Burtons Batman).
Als Kind der 80er erinnere ich mich an unglaublich viele Referenzen an Metropolis in der Popkultur jener Zeit, allen voran in den Musikvideos zu Queens Radio Gaga (Regie: David Mallett, 1984) und Madonnas vier Minuten kurze "Fassung von Metropolis": Express Yourself (Regie: David Fincher, 1989).
In beiden Fällen wird sehr deutlich auf den Film als Quelle hingewiesen. Am Ende des Videos von Queen sieht man "Thanks to Metropolis" eingeblendet und am Ende von Madonnas Video steht "Without the heart there can be no understanding between the hand and the mind." - ein Zitat aus Metropolis (im Film heißt es: "Der Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein."), das im Laufe des Films immer wieder zu lesen ist, und sich deshalb stark in den Köpfen der Zuseher einprägt.
Fritz Langs Werk hielt unter anderem auf diese Weise auch Jahrzehnte nach seiner Produktion immer noch und von manchen unbemerkt Einzug in den gegenwärtigen Mainstream. Und so geschah es, dass selbst wenn man den Film noch nie gesehen hat, man dennoch zahlreiche Elemente daraus kennt.
Die Übertragung am Freitag war ein einzigartiges Erlebnis, nicht nur da der Inhalt des Films durch die nunmehr hinzugefügten Szenen um einiges mehr an Tiefe und Emotion gewonnen hat, sondern auch, da der Dirigent Frank Strobel die Originalpartitur (von Gottfried Huppertz) zu der neu geschnittenen Fassung gänzlich neu aufbereitete und diese mit dem Sinfonieorchester Berlin im Friedrichstadtpalast live und bildgenau einspielte.
--> ENGLISH VERSION STARTS HERE:
This years Berlinale - Berlins very own international film festival and by the way the sixtieth edition of it - was opened by a long awaited live screening of Fritz Langs silent movie Metropolis. It was Metropolis' second première in Berlin. The first took place in 1927 when the film was shown in its 154 minutes long original version. (The movie was cut to an approximately 25 minutes shorter version since the audience back then didn't appreciate the film at first.) It remained shown as that shorter version for the last eight decades. The cut out material got destroyed.
In 2008 Paula Félix-Didier, head of the filmmuseum in Buenos Aires, found the missing material. It was a lucky coincidence that an Argentinian contributor had bought Metropolis right after its première in 1927 and immediately flewn the rolls to Argentina. Those rolls were long time forgotten but eventually turned out to be the only original director's cut left of the film.
The rediscovered material almost got ruined by dust and scratches and eventhough it was restored by experts for the past two years (costing an unbelievable amount of money) it is still in a very fragile condition. But that works for me - it's more charming and authentic that way and therefore fits its own story pretty well.
Metropolis is regarded to be the first Sci-Fi movie of its kind and in addition to that it is often titulated as a cultural asset. The UNESCO just announced it to be a part of the "Memory of the World" and made Metropolis the first movie ever in that category.
The movie also has a deeper cultural connection with Vienna since the Austrian director Fritz Lang was born and raised there. Besides that several scenes of Metropolis were shot at Wienerberger Ziegelwerke (then famous brickmaker factory in Vienna) and the filmstudios near by.
Metropolis also had to face a lot of criticism and was overshadowed by it throughout the years. Rumor has it that most extras were unemployed people and children who literally had to perform superhuman feats for very little money. Brigitte Helm, who played the female leading role, collapsed several times inside of her wooden costume etc. Fritz Lang was known as a tyrant on set long before Metropolis got filmed.
But let's get back to the content:
The screenplay written by Thea von Harbou - Fritz Langs then wife - tells a very familiar story that has been told a thousand times yet still is universal and classic and therefore remains valid at present. What's really special about this silent movie is the unique and futuristic aesthetics of the stages and the camera technique used. At the time the movie was made Metropolis was groundbreaking and remained a source of inspiration throughout the following decades. Numerous movies and music videos used it as a reference. Ridley Scotts Blade Runner and Tim Burtons Batman are just the two most obvious.
I remember Metropolis quotations really bursting out of the '80s pop culture. Take Queens Radio Gaga (directed by David Mallet in 1984) or Madonnas four minute "version" of Metropolis, the music video to her 1989 single Express Yourself (directed by David Fincher). (Please scroll up to the German version to take a look at those videos.) These two videos clearly pointed out their source. At the end of Madonnas video an insert comes up that says: "Without the heart there can be no understanding between the hand and the mind." (while the movie reads: "Der Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein.").
This way Fritz Langs movie found its way into pop culture almost unnoticed by some of us which led to the result that even if you'd never watched the film you are still aware to some of its elements - may they be visual or in terms of its content. Metropolis seems familiar.
Fridays screening was a very exciting one-of-a-kind experience. The "new" scenes added a lot more depth and emotion to the movie. Conductor Frank Strobel arranged the original score (by Gottfried Huppertz) with the Sinfonieorchester Berlin who played live exactly fitting the pictures. Brilliant!
Zweite Uraufführung? Genau! Denn bereits 1927 war Metropolis im, heute würde man wohl "director's cut" sagen, in Berlin uraufgeführt worden. Der damals 154 Minuten lange Film kam beim Publikum allerdings weniger gut als erwartet an, weswegen sich die damalige Produktionsfirma dazu entschied, ihn auf eine ca. 25 Minuten kürzere Version zu schneiden.
Nur dem Umstand, dass ein argentinischer Verleih eine Kopie des Films bei der ersten Uraufführung gleich vor Ort kaufte, ist es zu verdanken, dass eben diese Version vor zwei Jahren von Paula Félix-Didier, Leiterin des Filmmuseums in Buenos Aires, dort wieder entdeckt werden konnte. Alle anderen vollständigen Versionen waren in der Zwischenzeit zerstört worden.
Die Zeit hat an dem in Argentinien wieder entdeckten Material allerdings derart starke Spuren hinterlassen, dass man, selbst nachdem diese Teile in den letzten beiden Jahren unter enormen finanziellen Aufwand in Deutschland restauriert worden waren, die Zerstörung immer noch deutlich sieht. Dennoch ist dieses Material wunderschön und - da man ihm das Alter und die Strapazen ansieht - irgendwie auch passender.
Metropolis gilt heute nicht nur als der erste Science Fiction Film der Filmgeschichte, sondern auch als wichtiges Kulturgut. Als erster Film überhaupt wurde er von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.
Apropos Kulturgut: Für Wien war Metropolis auch ein wichtiger Film, denn nicht nur Fritz Lang wurde hier geboren und verbrachte viele Jahre seines Lebens hier, 1925 bis '26 drehte man einige Szenen von Metropolis auf dem Gelände der ehemaligen Wienerberger Ziegelwerke sowie in den dort benachbarten Filmstudios.
Einige Quellen äußern sich jedoch kritisch darüber, dass man zur Besetzung billiger Komparsen vor allem auf Arbeitslose und schlecht ernährte Kinder zurückgriff, die stundenlang im eiskalten Wasser Szene für Szene wiederholen mussten. Dass Fritz Lang selbst von seinen Hauptdarstellern Übermenschliches erwartete, war hinlänglich bekannt. Auch Brigitte Helm, die die Maria in Metropolis mimte, bekam das zu spüren. So soll sie in ihrem hölzernen Kostüm mehrere Male kollabiert sein und auch das technische Team des Films musste unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten.
Doch zurück zum Film: Die Geschichte, die erzählt wird (das Drehbuch stammt von Langs damaliger Ehefrau Thea von Harbou), ist einfach und auf verschiedenste Weise bereits tausende Male erzählt worden, dennoch ist sie universell und zeitlos - behielt also bis heute ihre Gültigkeit.
Aber nicht nur allein das zeichnet diesen Stummfilmklassiker aus, sondern vor allem die einzigartige Ästhetik der Bühnenbauten, der Ausstattung sowie die Kameratechnik. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Fritz Langs Film bahnbrechend und über die folgenden Jahrzehnte blieb Metropolis Inspirationsquelle für unzählige Filme und Musikvideos (z.B.: Blade Runner von Ridley Scott oder Tim Burtons Batman).
Als Kind der 80er erinnere ich mich an unglaublich viele Referenzen an Metropolis in der Popkultur jener Zeit, allen voran in den Musikvideos zu Queens Radio Gaga (Regie: David Mallett, 1984) und Madonnas vier Minuten kurze "Fassung von Metropolis": Express Yourself (Regie: David Fincher, 1989).
In beiden Fällen wird sehr deutlich auf den Film als Quelle hingewiesen. Am Ende des Videos von Queen sieht man "Thanks to Metropolis" eingeblendet und am Ende von Madonnas Video steht "Without the heart there can be no understanding between the hand and the mind." - ein Zitat aus Metropolis (im Film heißt es: "Der Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein."), das im Laufe des Films immer wieder zu lesen ist, und sich deshalb stark in den Köpfen der Zuseher einprägt.
Fritz Langs Werk hielt unter anderem auf diese Weise auch Jahrzehnte nach seiner Produktion immer noch und von manchen unbemerkt Einzug in den gegenwärtigen Mainstream. Und so geschah es, dass selbst wenn man den Film noch nie gesehen hat, man dennoch zahlreiche Elemente daraus kennt.
Die Übertragung am Freitag war ein einzigartiges Erlebnis, nicht nur da der Inhalt des Films durch die nunmehr hinzugefügten Szenen um einiges mehr an Tiefe und Emotion gewonnen hat, sondern auch, da der Dirigent Frank Strobel die Originalpartitur (von Gottfried Huppertz) zu der neu geschnittenen Fassung gänzlich neu aufbereitete und diese mit dem Sinfonieorchester Berlin im Friedrichstadtpalast live und bildgenau einspielte.
--> ENGLISH VERSION STARTS HERE:
This years Berlinale - Berlins very own international film festival and by the way the sixtieth edition of it - was opened by a long awaited live screening of Fritz Langs silent movie Metropolis. It was Metropolis' second première in Berlin. The first took place in 1927 when the film was shown in its 154 minutes long original version. (The movie was cut to an approximately 25 minutes shorter version since the audience back then didn't appreciate the film at first.) It remained shown as that shorter version for the last eight decades. The cut out material got destroyed.
In 2008 Paula Félix-Didier, head of the filmmuseum in Buenos Aires, found the missing material. It was a lucky coincidence that an Argentinian contributor had bought Metropolis right after its première in 1927 and immediately flewn the rolls to Argentina. Those rolls were long time forgotten but eventually turned out to be the only original director's cut left of the film.
The rediscovered material almost got ruined by dust and scratches and eventhough it was restored by experts for the past two years (costing an unbelievable amount of money) it is still in a very fragile condition. But that works for me - it's more charming and authentic that way and therefore fits its own story pretty well.
Metropolis is regarded to be the first Sci-Fi movie of its kind and in addition to that it is often titulated as a cultural asset. The UNESCO just announced it to be a part of the "Memory of the World" and made Metropolis the first movie ever in that category.
The movie also has a deeper cultural connection with Vienna since the Austrian director Fritz Lang was born and raised there. Besides that several scenes of Metropolis were shot at Wienerberger Ziegelwerke (then famous brickmaker factory in Vienna) and the filmstudios near by.
Metropolis also had to face a lot of criticism and was overshadowed by it throughout the years. Rumor has it that most extras were unemployed people and children who literally had to perform superhuman feats for very little money. Brigitte Helm, who played the female leading role, collapsed several times inside of her wooden costume etc. Fritz Lang was known as a tyrant on set long before Metropolis got filmed.
But let's get back to the content:
The screenplay written by Thea von Harbou - Fritz Langs then wife - tells a very familiar story that has been told a thousand times yet still is universal and classic and therefore remains valid at present. What's really special about this silent movie is the unique and futuristic aesthetics of the stages and the camera technique used. At the time the movie was made Metropolis was groundbreaking and remained a source of inspiration throughout the following decades. Numerous movies and music videos used it as a reference. Ridley Scotts Blade Runner and Tim Burtons Batman are just the two most obvious.
I remember Metropolis quotations really bursting out of the '80s pop culture. Take Queens Radio Gaga (directed by David Mallet in 1984) or Madonnas four minute "version" of Metropolis, the music video to her 1989 single Express Yourself (directed by David Fincher). (Please scroll up to the German version to take a look at those videos.) These two videos clearly pointed out their source. At the end of Madonnas video an insert comes up that says: "Without the heart there can be no understanding between the hand and the mind." (while the movie reads: "Der Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein.").
This way Fritz Langs movie found its way into pop culture almost unnoticed by some of us which led to the result that even if you'd never watched the film you are still aware to some of its elements - may they be visual or in terms of its content. Metropolis seems familiar.
Fridays screening was a very exciting one-of-a-kind experience. The "new" scenes added a lot more depth and emotion to the movie. Conductor Frank Strobel arranged the original score (by Gottfried Huppertz) with the Sinfonieorchester Berlin who played live exactly fitting the pictures. Brilliant!
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