Donnerstag, 3. Februar 2011

trude fleischmann - der selbstbewusste blick


Aktuell findet im Wien Museum eine Werkschau der österreichischen Photographin Trude Fleischmann statt.



Aktstudie der Tänzerin Claire Bauroff, Wien 1925
photo by Trude Fleischmann(C)Wien Museum


Wie viele andere PhotographInnen ihrer Zeit besuchte Trude Fleischmann zunächst die Höhere Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien um ihrem Berufswunsch Photographin näher zu kommen (ihr tat es die analoggang etwa 100 Jahre später gleich).

1908 hatte sich die Graphische auch den Frauen gegenüber "geöffnet" und so kam es, dass neben Trude Fleischmann auch Hella Katz, Dora Horowitz, Edith Glogau, Trude Geiringer, Pepa Feldscharek, Kitty Hoffmann u.a. (auch in der Ausstellung vertreten) sich in diesem - zuvor ausschließlich männlich dominierten - Beruf beweisen wollten.




Trude Fleischmann mit ihrer Kamera im Atelier, Wien 1929
photo by Annie Schulz(C)Courtesy Fritsch Antiquariat


Nach der Ausbildung an der Graphischen (1913 -1916) versuchte sich Trude Fleischmann in einer "etwa 2-wöchigen Assistenz" im Atelier d'Ora (Dora Kallmus). Danach begann sie im Atelier Schieberth zu arbeiten. Im Tonmitschnitt eines Interviews, das zur Ausstellung gehört, versucht sie ihre beiden Lehrstellen "herunter zu spielen", es ist jedoch kein Geheimnis, dass beide Ateliers zur damaligen Zeit zu den ersten Adressen von Wien gehörten. Dies lässt den Schluss zu, dass Trude Fleischmann eine starke finanzielle Stütze gehabt haben muss...

Drei Jahre blieb Fleischmann bei Schieberth. In dieser Zeit entstand auch das Photo von Peter Altenberg und Adolf Loos (1918), das Trude Fleischmann anfertigte als Schieberth einmal nicht im Atelier war, die beiden Portraitierten jedoch unbedingt ein Photo machen wollten. Diese Photographie leitete eine neue Bildsprache ein, die Trude Fleischmann später bekannt machte.




Sibylle Binder, Schauspielerin, Wien um 1935
photo by Trude Fleischmann(C)Wien Museum



Im Alter von 25 Jahren eröffnete Trude Fleischmann schließlich mit finanzieller Hilfe ihrer Eltern ein Atelier im 1. Wiener Gemeindebezirk. Dieses lag strategisch gut positioniert zwischen vielen Wiener Bühnen (in der Nähe des Rathauses) und war daher für zahlreiche Schauspieler und Tänzer, die sich von nun an in Fleischmanns Atelier einfinden sollten, sehr gut erreichbar. Auch Vertreter der gutbürgerlichen Wiener Gesellschaft gehörten zu Fleischmanns Kundschaft.

Bekannt wurde Trude Fleischmann durch ihre wunderschönen Tanz- und Portraitaufnahmen, die Zeugnis geben von ihrer sensiblen Distanz zum Portraitierten, die dem Betrachter gleichzeitig aber eine intime Nähe zum Portraitierten vermitteln.

Für Aufsehen sorgten allerdings ihre - an den "pikanten Stellen" unretouchierten Aktaufnahmen von der Claire Bauroff, so der Ausstellungstext.



Die Tänzerin Mila Cirul, Wien um 1935
photo by Trude Fleischmann(C)Wien Museum



Als Jüdin war sie, wie viele andere ihrer jüdischen KolegInnen auch, bereits 1938 gezwungen Wien zu verlassen. Über Umwege (London und Paris) kam Trude Fleischmann schließlich nach New York und konnte dort bereits 1940 wieder ein Atelier eröffnen. Die amerikanische Photographin Helen Post, die einst bei Trude Fleischmann in Wien gelernt hatte, spielte bei ihrer Flucht eine Schlüsselfigur. Den vielen europäischen SchauspielerInnen in New York, die ebenso wie Trude Fleischmann vor dem NS-Regime fliehen mussten, ist es zu verdanken, dass Fleischmann sich ein zweites Mal eine berufliche Existenz aufbauen konnte.

Den Kuratoren Frauke Kreutler und Anton Holzer ist eine wunderschöne Ausstellung gelungen. Die BesucherInnen werden in einem angenehmen Tempo durch die Ausstellung geführt - die Beleuchtung ist hierbei eben so gut gelungen wie die Größe der Exponate - es handelt sich aber vor allem um Vintageprints (sehr schöne Silbergelatineabzüge; vereinzelt auch Kohle- und Bromöldrucke). Die Erklärungstexte an den Wänden haben genau die richtige Länge - man erfährt vieles über Fleischmann und die Zeit in der sie arbeitete. Insgesamt eine sehr "runde Sache" diese Ausstellung und Trude Fleischmanns Photographien sollte man gesehen haben.


Karl Kraus, Schriftsteller, Wien 1928
photo by Trude Fleischmann(C)Wien Museum





Zum Anhören:
(Link befindet sich in der Mitte des Dokuments)





Die Ausstellung Trude Fleischmann - Der selbstbewusste Blick läuft noch bis zum 29. Mai 2011 (am 1. Mai 2011 ist das Museum allerdings geschlossen).

Die Öffnungszeiten des Wien Museums:
Dienstag bis Sonntag, sowie feiertags 10 - 18 Uhr
An jedem ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei - ansonsten beträgt der reguläre Eintritt 6€. Der Ausstellungskatalog erschien bei Hatje Cantz und ist um 27€ im Wien Museum erhältlich.




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